3. Die Pioniere im Pionierhaus

Autor/in: Klaus Schmidt-Hertzler

Teil 1: Das Designerkollektiv sputnic

Im August 2014 zogen sie in das Pionierhaus der Urbanen Nachbarschaft Samtweberei und gehören damit zu den Pionieren der ersten Stunde. Malte Jehmlich (Jahrgang 1980), Nicolai Skopalik (1978) und Nils Voges (1978) sind zusammen das Designerkollektiv sputnic, und sie hatten es für ihren Umzug nicht weit. Sie mussten nur von der Gladbacher Straße zur Lewerentzstraße, also vom Südteil des Krefelder Südens in dessen Nordteil.

Die „Südstadt“ wollten sie auf keinen Fall verlassen, denn die sputnics sind Südstädter aus Überzeugung. Mit dem gleichnamigen Stopp-Animationsfilm erschufen sie nicht nur eine preisgekrönte Hommage an „ihren“ Stadtteil, die Drei bestanden 2007 mit „Südstadt“ auch gemeinsam ihr Examen an der Hochschule Niederrhein.

Jehmlich, Skopalik und Voges haben sich während ihres Studiums kennengelernt und agierten 2004 zum ersten Mal unter dem Namen sputnic. Der Start der Zusammenarbeit: Mit einer „Bastelarbeit“ legten sie die Küche ihrer Wohngemeinschaft lahm. Schließlich hätte diese große Modellstadt aus Pappe nirgendwo sonst Platz gefunden. Die raumgreifende Architekturskulptur sollte die Hauptrolle spielen in einem etwas anderen Menü für eine Musik-DVD.

Die hieß „Für 15 Euro nasses Hundekino“, und die Modellstadt mit immerhin vier Quadratmetern Grundfläche in der realen Küche der sputnics diente auf der DVD als animierte Ansteuerung der Videoclips des Krefelders Markus Jansen und seiner Band. Analoge Handarbeit verband sich hier mit digitaler Technik, dies entwickelte sich zu einer Spezialität der sputnics.

Dem Thema Stadt blieben die Drei mit dem Film „Südstadt“ treu. Der Animationsfilm, an dem sie über ein Jahr gearbeitet haben, erzählt die Geschichte eines Postboten, der in einem herabgewirtschafteten Bezirk dank defekter Briefkästen, verwaister Ladenlokale und so fort bei seiner Arbeit versagt. Es war ein Film über das Scheitern, und die sputnics bestanden damit grandios ihr Examen und nicht nur das. Beim Grand Off Festival in Warschau gewann „Südstadt“ 2008 den European Off Film Award, die Filmbewertungsstelle in Wiesbaden verlieh dem Film das Prädikat „Wertvoll“.

Das Pendeln zwischen Gestaltung und Kunst ist für die sputnics Programm. Dabei beschäftigen sie sich auch gerne mit dem Spannungsfeld von Identität und Fiktion. Dazu passt, dass sie mit ihren Videos und Bühnenbildern immer wieder in Theaterprojekte einbezogen werden.

Für das Theater Dortmund kreierten die sputnics gleich eine ganze Reihe zum Thema „Stadt ohne Geld“ (2010). Kooperationspartner war dabei das Institut für urbane Krisenintervention, aber das war vom Briefpapier bis zu den Akteuren nicht mehr als eine bloße Erfindung der Designer.

Für die Krefelder Kunstausstellung „Quer geschnitten“ hatten die sputnics bereits 2008 eine Immobilienfirma „inszeniert“. Die Gesellschaft „Wostok Int.“ versuchte angeblich, das von der Kunst „befreite“ Kaiser Wilhelm Museum als Einkaufszentrum zu vermarkten. Das sorgte in Krefeld für Wirbel.

Mit der Installation „Racer“, die eine reale Modellautobahn mit einem digitalen Spielautomaten verband, erzielten die sputnics 2010 sogar die Aufmerksamkeit der New York Times, und auch sie selbst sind inzwischen international unterwegs. Ein Theaterprojekt führte Voges 2013 nach Kamerun, Jehmlich begleitete ebenfalls 2013 ein Musikprojekt nach Myanmar.

Zuletzt sind die sputnics wieder zum Animationsfilm zurückgekehrt und haben diesen mit ihrer Leidenschaft für das Theater verbunden. Bei den Stücken „Die Möglichkeit einer Insel“ (2015) für das Theater Dortmund und „Under Control“ (2016) für das Junge Theater Bremen haben sie aus Theater und Film eine neue Form gemixt. Die Schauspieler agieren auf der Bühne als Schauspieler und an Lichttischen als Animations-Operateure. So entsteht nicht nur Theater, sondern parallel ein live animierter Animationsfilm. Von der Kritik wurde diese innovative Idee mehr als gelobt.

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