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Mit Professor Schram auf Spurensuche

Im Hauptberuf ist Professor Jürgen Schram Inhaber des Lehrstuhls für Instrumententeile und Chemische Analytik an der Hochschule Niederrhein. Darüber hinaus ist er begeisterter Krefelder, und in dieser Eigenschaft führte er am 27. April eine Gruppe Geschichtsinteressierter durch das Samtweberviertel.

Dabei berichtete er über Krefelds glorreiche Textilvergangenheit, über das Färben von Samt und Seide und seine Hochschule, für die er seit über zwanzig Jahren tätig ist. Der Weg führte über die Lewerentzstraße zum Frankenring, zurück zum Corneliusplatz, in die Josefkirche, und von da aus vorbei am Fichte-Gymnasium zum Westwall. Nach einen Stopp am Alexanderplatz endete die Tour schließlich wieder vor dem Haupteingang der Samtweberei.

Die Krefelder Südstadt war um 1900 beileibe kein Arbeiterviertel sondern ein Domizil der Reichen und Einflussreichen. Das ist eine wichtige Erkenntnis dieser Geschichtsführung. Die herrschaftlichen Häuser rund um den Corneliusplatz zum Beispiel wiesen in der Regel großbürgerliche 4,40 Meter Deckenhöhe auf, und die baumbestandene Corneliusstraße war die zweitbreiteste neben den vier Wällen. „Um 1900 war das hier das Samtweberfabrikantenviertel“, so Schram, und ein paar Lehrer der Königlichen Webeschule wohnten auch hier.“ Die 1855 am Westwall gegründete und 1883 an die damalige Oberstraße verlegte Hochschule für Textiltechnik war nämlich Anlass für den repräsentativen Städtebau: Hier gab es moderne Laboratorien und Produktionsanlagen. Dank eines äußerst fortschrittlichen Unterrichtskonzepts zog die Akademie sogar 80 bereits promovierte Studenten an.

Als 1955 die Hochschulgebäude am Frankenring gebaut wurden, war der Niedergang der Textilindustrie nicht mehr fern und das Webeschule-Gebäude am Corneliusplatz vor einem guten Jahrzehnt im Bombenhagel untergegangen. Der Vater des revolutionären Baukonzepts, Architekt Bernhard Pfau erhielt für seinen Krefelder Bau den deutschen Architekturpreis. Zu dieser Zeit war Krefeld längst nicht mehr die Stadt, in der „die Mennoniten das Geld haben, die Reformierten das Sagen und die Katholiken die Arbeit“, wie Professor Schram zitierte. Um 1890, als die St. Josefkirche mitten im Fabrikantenviertel nach dem Patron der Arbeiter benannt wurde, war das dagegen noch eine Provokation. Dank der Arbeit eines zukünftigen Reichsministers und der Unterstützung der römischen Kurie konnte das Gotteshaus dennoch prächtig ausgestattet werden. Einen kleinen Eindruck von der ehemals bunten Bemalung des Innenraums bekommt man heute noch in der Turmbibliothek.

Ein anderer gesellschaftlicher Außenseiter war der Architekt und Wandervogel Karl Buschhüter. Gegenüber der Josefkirche baute er ein Wohn- und Geschäftshaus im Stil des „Biologischen Funktionalismus“. In seiner völkisch-lebensreformerischen Wohngemeinschaft an der Moerser Landstraße liefen er und seine Freunde angeblich nackt herum, was ihm noch bis in die Nachkriegszeit den Abscheu der konservativen Krefelder eintrug. In gesellschaftlichen Randgebieten gründelte auch Alexander König, nach dem der Alexanderplatz benannt worden ist. Der Ölmühlenbesitzer stellte fest, dass sich mit Vergnügungen aller Art sehr viel mehr Geld verdienen lässt. So viel Geld, dass er seiner Stadt Ende des 19. Jahrhunderts das Terrain seines alten Mühlenbetriebs schenken konnte – allerdings unter der Prämisse, dieses nicht zu bebauen sondern hier einen Park einzurichten. So entstand eine der schönsten städtebaulichen Situationen der Krefelder Südstadt – und ein wichtiger Baustein für die Zukunft des Samtweberviertels.

One Response to Mit Professor Schram auf Spurensuche

  1. Monderamp sagt:

    Lieber Herr Schram!
    Herzlichen Glückwunsch für Ihren offenbar recht gelungenen Rundgang zur Geschichte des Viertels.
    Ich konnte leider nicht teilnehmen.
    Ein paar kleine Anmerkungen seien deshalb von hier aus gestattet:
    Die damalige Webeschule befand sich ja nahezu exakt auf dem Grundstück des neuen Erweiterungsbaus der Albert-Schweitzer-Schule. Damit rekonstruiert dieser unscheinbare Bau die damalige schöne städtebauliche Situation des Platzes, insofern er ihm -wie die Webeschule- eine Fassung verleiht, wenn man so will, “re-urbanisiert”. Dass dies Ausgangspunkt für allerlei Gestaltungsideen sein könnte, ist bekannt. Aber, vielleicht sollten wir uns gemeinsam dafür stark machen, dass die sichtzerstörenden Grünwucherungen im Mittelbereich der südlichen Corneliusstraße zurückgeschnitten werden, damit die neue Platzsituation in dieser zentralen Sichtachse zwischen Linden – und Corneliusplatz überhaupt zur Geltung kommt.

    Ich verstehe ja, dass Sie aus Ihrer geliebten Corneliusstraße eine bürgerliche Prachtstrasse machen möchten. Dass Sie von der Presse in dem Sinne zitiert werden, dass die ganze Südstadt ein wohlhabendes Edelwohngebiet gewesen sein sollte, ist aber m.E. korrekturbedürftig. Was wir aber sehr wohl an der Corneliusstrasse schön beobachten Können, ist der Übergang vom Krefelder Haus zum nachgründerzeitlichen bürgerlichen Geschoßwohnungsbau um die vorletzte Jahrhundertwende, wo man mit moderneren Grundrissen und des variantenreichen Gestaltelementen des Jugendstils arbeitete, die beim Krefelder Haus, das ja ein eher schlichter Mischtyp aus Bürger- und Arbeiterhaus gewesen war, noch nicht vorkamen.
    Der Eindruck der Bürgerlichkeit ist also eher dadurch begründet, dass man im Bereich der erst sehr spät entstandenen Strasse erstmals ein separiertes hier konzentriertes Wohnangebot realisierte. Reiche Leute gab es schon vorher. Richtig ist aber, dass die Entwicklungen der Webeschule die Nachfrage und deren räumliche Konzentration gefördert haben dürfte.

    Wenn Sie dem sicher interessantem Architektenoriginal Buschhüter einige Ehre erweisen, dann finde ich, dass dem ersten Kaplan in Josef, Heinrich Brauns, auch etwas Ehre zuteil hätte werden dürfen, handelte sich es doch um den ungemein wichtigen Kopf der Sozialpolitik in der Weimarer Republik. Aber “der ewige Heinrich” wird uns sicher noch eingehender beschäftigen.
    Liebe Grüße
    Jürgen Monderkamp

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