Foto: Stefan Bayer, Copyrights: UNS

„Das Unfertige an Krefeld ist seine große Stärke!“ – Ein paar Worte über unsere neue Viertelschreiberin

In Karaganda, über 5.000 Kilometer vom Samtweberviertel entfernt, ist Lydia Koslowski geboren. Aber im Jahr 1990 entschieden sich die Eltern der damals Siebenjährigen von Kasachstan an den Niederrhein zu ziehen.

So wuchs Lydia in Kempen auf, wo ihre Eltern heute noch wohnen. Krefelderin wurde sie dann durch ihr Studium. Nach einem Fachabitur mit dem Schwerpunkt Gestaltung hatte die junge Frau zuerst eine Ausbildung zur Mediengestalterin absolviert bevor sie sich entschloss, Kommunikationsdesign zu studieren. Und was lag von Kempen aus näher als die Hochschule Niederrhein.

„Die Entscheidung, Design zu studieren war für mich nur konsequent, weil ich mich immer schon für die Gestaltung meiner Umwelt interessiert habe“, erklärt die neue Viertelschreiberin. „Aber genauso schreibe ich bereits seit neun Jahren Tagebuch. Worte und Bilder sind für mich also gleichermaßen wichtig. Design hat ja auch immer mit der Verarbeitung von Informationen zu tun.“ So wundert es auch nicht, dass Lydia sich bei ihrer Diplomarbeit für ein eher wortlastiges Thema – „Das Warten“ und die Gestaltung einer „Wartezeitung“ entschieden hat.

In ihrem theoretischen Teil befasst sich Lydia Koslowskis Abschlussarbeit mit der Evolution des Zeitempfindens – der zunehmenden Verbreitung der messbaren, „maschinellen“ Zeit gegenüber der individuell wahrgenommenen „menschlichen“ Zeit. Dazu beobachtete sie ihre Mitmenschen, zum Beispiel an Fußgängerampeln und bezog ihre ganz persönlichen Erfahrungen ein. Im praktischen Teil kommt sie dann zu zehn Ideen, besser mit dem Warten umzugehen, und als angehende Designerin gestaltete und illustrierte sie ihre Wartezeitung natürlich komplett selbst.

„Nach dem Diplom habe ich erst einmal zwei Jahre in einer kleinen Agentur gearbeitet, bevor ich mich als freischaffende Designerin selbständig gemacht habe“, erzählt die 32-Jährige. „Dabei bin auch nach dem Studium der „Typ für schwere Themen“ geblieben. Und habe mich zum Beispiel mit dem „Narzissmus“ auseinandergesetzt. Mir macht es einen Riesenspaß, über ein Thema zu recherchieren, mich quasi hineinzusteigern. Genauso gerne arbeite ich aber auch praktisch, male und illustriere. Letztlich kann man aus jedem Job etwas Interessantes rausziehen!“ Davon ist Lydia Koslowski überzeugt.

Zur Bewerbung als Viertelschreiberin kam Lydia durch ihre Designerkollegin Katrin Mevissen, mit der sie jetzt zusammen im Designhaus „Platzda“ auf dem Westwall arbeitet. An der Aufgabe reizte sie vor allem die Möglichkeit, „auf Aktionen, Initiativen aber vor allem auf die Menschen im Samtweberviertel hinzuweisen.“ So erklärte sie es in ihrem Motivationsschreiben. „Krefeld ist für mich, verworren, versteckt irgendwie verschleiert. Unfertig. Das Unfertige an Krefeld, ist seine große Stärke. (…) Krefeld und das Samtweberviertel gaben mir mein Zuhause. Ich bin hier fast jeden Abend, alleine oder mit Freunden, spazieren gegangen auf der Suche nach Lieblingsorten“, so Lydia Koslowski. „Ich habe diese Stadt kennen und lieben gelernt. Meine Perspektive aus der ich das Samtweberviertel wahrnehme, würde ich gerne teilen.“

Wie viele Krefelderinnen und Krefelder ist Lydia von der Entwicklung der letzten zwei Jahre rund um die alte Samtweberei fasziniert und möchte ihren Teil zur Arbeit der Montagstiftung beitragen. „Ich freue mich, dass hier ein stabiler Rahmen für ehrenamtliches Engagement entstanden ist, ein Platz für Leute, die sich jetzt vielleicht noch nicht trauen, es aber zunehmend doch versuchen, sich zu beteiligen. Ich glaube, viele Menschen möchten wissen, wer ihr Nachbar ist, ich eingeschlossen.“ Die neue Viertelschreiberin freut sich, dass auch in Krefeld eine „Kultur des Rausgehens“ an Boden gewinnt. „Manchmal ist es ein guter Anfang, einen Klappstuhl vor die Tür zu stellen“, erklärt sie strahlend. „Wer anderen Freude bereitet, tut letztlich auch etwas für sich selbst. Manche Erfahrungen kann man nicht mit Geld kaufen.“

Lydia Koslowski ist seit dem 1. Juni 2016 Viertelschreiberin für das Samtweberviertel und wird das für 12 Monate bleiben. Ihre Tätigkeit will sie unter das Motto „Dankbarkeit“ stellen. Ganz unter diesem Motto stand bereits ihr Bewerbungsartikel über die Keksfabrik Gruyters.

von Michael Otterbein

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