Foto: Katrin Mevißen, Copyright: UNS

Die Kolumne im Mai: Zu Tisch mit Nuray Sahin (Mensaleiterin der Albert-Schweitzer-Schule)

Dank Nuray Sahin hat jetzt jede Blume einen Paten – ein Patenkind genauer gesagt. Und die persönliche Verantwortlichkeit der Schülerinnen und Schüler für „ihre“ Blume trägt wesentlich zum Überleben der vegetativen Mensa-Bewohner bei. Denn Übeltäter aller Art werden von den kleinen Paten schnell zurechtgewiesen. Und wenn es gar nicht anders geht, muss eben die Cafeteria-Leiterin persönlich einschreiten, nachdem sie erfährt, wer „meine Blume“ kaputt gemacht hat. Als Belohnung für ihre Arbeit bekommen die Blumen-Wächter noch einen kleinen Blumentopf geschenkt, den dürfen sie dann allerdings mit nach Hause nehmen.

Blumen mag Nuray Sahin mindestens genauso gerne wie Kinder und gesundes Essen. Das sind quasi ideale Voraussetzungen für ihre derzeitige Aufgabe. Mit Lebensmitteln hat sich die gebürtige Türkin schon immer beschäftigt. „In Istanbul habe ich Ökotrophologin, also Ernährungswissenschaftlerin gelernt,“ erzählt sie. „Hier in Deutschland habe ich dann viel in der Gastronomie gearbeitet und schließlich eine Umschulung zur Köchin gemacht. Ich wollte auf Dauer nicht nur Küchenhilfe bleiben.“ Zur Albert-Schweitzer-Schule kam sie über die BI – die „Bürgerinitiative Rund um St. Josef“, wo sie seit 2008 mit Frauen und Kindern arbeitet. „Seit fünf Jahren bin ich jetzt in der Schule“, erinnert sie sich – zuerst nur halbtags und jetzt Vollzeit. Mit dem Einkaufen und der Abrechnung komme ich locker auf über 40 Stunden.“

Als wir Nuray Sahin besuchen, steht gerade die 11-Uhr-Pause bevor. Die Mensaleiterin und ihre Mitarbeiterin Janina Mettig sortieren die verschiedenen Brötchensorten in die Theke ein. Es gibt ganze und halbe Brötchen mit Thunfisch und Salami, Käse oder Eiern, dazu kleine Hamburger, Pizzaecken und Schokocroissants. „Von den Körnerbrötchen verkaufe ich am Tag leider nur Vier oder Fünf – manchmal auch nur Zwei. Manche Kinder wollen, dass ich den Salat und die Gurkenscheibe vom Brötchen nehme. Aber das tue ich ganz bestimmt nicht“, erklärt Nuray energisch. „Die Kinder dürfen natürlich auch Süßes, Pommes und Hamburger essen, aber nicht jeden Tag. Darauf müssen wir hier in der Schule mit aufpassen.“

Die gelernte Ernährungswissenschaftlerin berichtet, dass manche Schüler Gemüsesorten wie Kohlrabi gar nicht kennen und anscheinend zuhause vorwiegend Fastfood zu essen bekommen. „Auch aus diesem Grund biete ich meine Koch-AG an“, erklärt sie, „ die Kinder sollen hier zumindest alles probieren. Und außer Kochen lernen sie bei mir auch wichtige Benimmregeln, wie zum Beispiel, dass man erst anfängt zu essen, wenn alle etwas auf dem Teller haben und am Tisch nicht in der Nase bohrt. Eine weitere Herausforderung sind die unterschiedlichen Religionen. Das ist aber alles kein Problem, wenn man tolerant ist,“ weiß Nuray Sahin. „Brötchen mit Schinken oder Salami servieren wir auf speziell farbigen Tabletts, dann wissen die Kinder, dass da Schwein drin ist und wenn ein kleiner Inder an bestimmten Tagen gar kein Fleisch essen darf, bekommen wir das auch hin.“

 

Schulleiterin Christa Lunkenheimer freut sich, dass sie mit Nuray Sahin so eine engagierte Mitarbeiterin gefunden hat. „In der Umbauphase hat sie das Essen teilweise unter der Treppe angeboten. Jetzt in der großen, schönen Halle kann Frau Sahin sich richtig entfalten. Bei über 80% Kindern mit Migrationshintergrund ist unsere Schule auch ein Spiegelbild unseres Viertels, was aber nicht heißt, dass unsere Absolventen schlecht dastehen. Im Gegenteil: über 60% erreichen eine Gymnasiumsqualifikation. Dazu tragen unsere sehr engagierten Lehrerinnen und Lehrer bei und natürlich auch die guten Rahmenbedingungen, wie unser schönes, neues Gebäude und die gut funktionierende Mensa.“

Dass Nuray Sahin Spaß an ihrer Aufgabe hat und dabei alles gut im Griff, wird auch bei unserem Tischgespräch deutlich, zwischendurch hilft sie immer wieder an der Theke und sorgt für Ordnung, wenn einige Schüler die Mensa als Fußballfeld missbrauchen wollen. Wenn es sein muss, benutzt sie wie ein Schiedsrichter eine Trillerpfeife und expediert einen Kopf größere Unruhestifter ohne lange Diskussionen auf den Schulhof. Die Albert-Schweitzer-Schule ist offensichtlich zu ihrer zweiten Heimat geworden. Nicht minder engagiert betreut die gebürtige Istanbulerin weiterhin ihr Sprachcafé für Frauen in der nahen BI. Ein gut ausgefülltes Leben. Trotzdem hat die 57-Jährige noch zwei Träume, die sie gerne verwirklichen möchte: einen Kochkurs im Kindergarten leiten und einen „Wendo-Kurs“ – einen Selbstbehauptungskurs für Frauen und Mädchen möchte sie im Viertel gerne ins Leben rufen. Wer Nuray Sahin kennt, kann sich gut vorstellen, dass sie anderen Frauen dabei helfen könnte, an Mut und Selbstbewusstsein zu gewinnen.

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

« »